Am Tag danach waren die Türen beim VfB Stuttgart lange geschlossen. Man tagte in großer Runde mit Präsident Erwin Staudt und den Vorständen Ulrich Ruf und Horst Heldt sowie „Teamchef“ Markus Babbel, um aufzuarbeiten, was sich am Nachmittag und Abend zuvor ereignet hatte.
Manager Heldt hatte nach dem 0:2 gegen Werder Bremen vor allem die Mannschaft attackiert, aber auch eine Diskussion angeheizt, die man in Stuttgart unbedingt vermeiden wollte. Die um „Teamchef“ Babbel. Der einst gefeierte „Quereinsteiger“ ist nach der vierten Saison-Niederlage in der Bundesliga zum Wackelkandidaten geworden.
Die Trainerdiskussion in Stuttgart bekam auch neue Nahrung, weil ein sichtlich frustrierter Heldt auch ein Thema anschnitt, das man zumindest offiziell bisher nicht als Problem sehen wollte. Eine Stunde nach der schwachen Leistung gegen Bremen, die den VfB in den Augen von Nachrichtenagenturen zum „Abstiegskandidaten“ herabsteigen ließ, sagte Heldt: „Über zehn Spieler sind zehn Tage weg und der Trainer, das ist Gift.“
Der „Auszubildende“ Babbel ist seitdem öffentlich angezählt. Nach Heldts Äußerungen wird auf alle Fälle verstärkt über die häufigen Dreitagesreisen von Babbel zur Sporthochschule in Köln debattiert werden. Dort absolviert der 37-Jährige einen Lehrgang zum Fußballlehrer und fehlt in unregelmäßigen Abständen beim Training. Am Sonntag erreichten die Stuttgarter in Telefongesprächen eine vorläufige „Freigabe“ beim DFB, und Babbel darf zumindest diese Woche den Unterricht in Köln schwänzen. Dazu, wie Babbel und der VfB die Zeit nutzen werden und konkret auf die Krise reagieren, schweigt man in Stuttgart vorerst.
Wilde Spekulationen
Trotz des Verhandlungserfolges konzentriert sich alles auf die zentrale Frage: Findet der 37 Jahre alte ehemalige Nationalverteidiger einen Ausweg aus der Krise? Lange, das scheint sicher, hat er dazu nicht mehr Zeit. Die Heimpartie gegen Schalke 04 und den ehemaligen Trainer Felix Magath in zwei Wochen könnte für ihn bereits zu einem ernsten Test werden. In der angespannten Stimmungslage am Neckar tauchen erste wilde Spekulationen zu möglichen Nachfolgern auf. Neben Bernd Schuster, der Real Madrid betreute, kursiert auch der Name von Jürgen Klinsmann.
Der Schwabe, so glauben manche, könnte seinen angekratzten Ruf in der Bundesliga aufpolieren wollen. Beide laufen unter „extrem teure Lösung“. All diese kuriosen Szenarien entstehen unter dem Eindruck desolater Vorstellungen wie der gegen Bremen, die verstärkt dem „Trainerlehrling“ Babbel angelastet werden, weil sie wenig Hinweise darauf liefern, es könnte bald die Wende gelingen.
Verunsicherung im Kader
Der Stuttgarter Teamchef rotiert munter weiter, obwohl er die Rotation längst für beendet erklärte. Aus der Mannschaft hatte es heftige Widerstände gegeben. Auf dem Rasen findet seine Elf bisher keine Linie, und im Kader entwickelt sich keine Hierarchie. Der Weg des Nachfolgers von Armin Veh – der damalige Assistent übernahm den Klub im November 2008 und führte ihn nach einer beeindruckenden Serie bis in die Champions League – findet deshalb derzeit immer weniger Befürworter. Babbel selbst spricht von „Angst“, die seine Spieler ergriffen habe, und die VfB-Profis reagieren zunehmend mit Verunsicherung. Gegen Bremen saß Acht-Millionen-Zugang Zdravko Kuzmanovic auf der Bank, der russische Stürmer Pawel Pogrebnjak zunächst ebenfalls, zudem wirkt der zunehmend frustriert. Alexander Hleb ist weiterhin verletzt und weit davon entfernt, integriert zu sein.
Man müsse sich aus dem Kreislauf der Verunsicherung herausarbeiten, meinte Babbel. Vor dem Spiel gegen Schalke wird ihm das nur schwer gelingen können. Bis kommenden Donnerstag läuft der Trainingsbetrieb wegen der Länderspiele nur eingeschränkt. Mindestens die Hälfte des Kaders fehlt wegen Abstellungen zu den jeweiligen Nationalmannschaften. Serdar Tasci freilich sagte am gestrigen Montag bei Bundestrainer Joachim Löw wegen Kniebeschwerden ab.
„In der Mannschaft steckt immer noch viel Angst“
In Stuttgart ist das Länderspiel in Moskau gegen Russland ohnehin in den Hintergrund gerückt, man hat genug eigene Probleme. Bundestrainer Joachim Löw, der gegen Bremen auf der Tribüne saß, allerdings bekam angesichts der gellenden Pfiffe einen Eindruck, wie sehr die Stimmung in Stuttgart in Schieflage geraten ist. Als sich die Spieler in ihrer Fankurve für die Unterstützung bedanken wollten, schlug ihnen Ablehnung in Form von Pfiffen und Buhrufen entgegen.
„In der Mannschaft steckt immer noch viel Angst, das ist mir unerklärlich“, sagte Babbel. Er werde genau hinschauen, „wer mitzieht und wer nicht“. Und Heldt meinte: „Das alles steckt tief und macht nachdenklich. In solch einer Situation machst du auf dem Rasen meist das Falsche.“
Quelle: http://www.faz.net
Dienstag, 6. Oktober 2009
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