Montag, 10. August 2009

Der Angriff bereitet große Sorgen


Stuttgart - Nach Fußballspielen isst Jens Lehmann gerne eine Banane und macht sich Gedanken ums große Ganze. Beides tat er auch am späten Freitagabend, kurz bevor der Torhüter im Wolfsburger Stadion den Mannschaftsbus bestieg. Mit 0:2 hatte der VfB sein Auftaktspiel beim deutschen Meister verloren. Trotzdem war Lehmann in recht aufgeräumter Stimmung, was nicht nur daran lag, dass er eine vorzügliche Leistung geboten hatte. "So eine Niederlage hat auch etwas Gutes", sagte er, "denn man sieht daran, dass Veränderungen nötig sind."

Es waren nicht die Laufwege oder Standardsituationen, die Lehmann überprüft wissen wollte. Er dachte vielmehr an die Zusammensetzung des Kaders, die aus seiner Sicht nicht reicht, um die hohen Ziele des VfB zu erreichen. Bereits vor Wochen hatte Lehmann machtvoll Verstärkungen angemahnt. Alexander Hleb und Pawel Pogrebnjak sind seither gekommen - doch das genügt dem Torhüter nicht. Es sei, "nicht von der Hand zu weisen, dass wir noch Bedarf an guten Spielern haben", sagte Lehmann und stellte angesichts der Einnahme durch den Verkauf von Mario Gomez folgende Rechnung auf: "Hleb hat zwei Millionen gekostet, Pogrebnjak fünf - also müssten noch 23 Millionen Euro übrig sein."

Zwar vergisst der ehemalige Student der Volkswirtschaft bei seiner Kalkulation die Steuern, die vom Gomez-Erlös abzuführen sind, die Verpflichtung von Stefano Celozzi, die mit 2,5 Millionen Euro zu Buche schlägt, und nicht zuletzt das gewaltige Gehalt für Hleb, das zur Leihgebühr hinzukommt. Ansonsten aber ist Lehmann nicht zu widersprechen: Geld aus dem Gomez-Transfer, der sogar 35 und nicht nur die von Lehmann veranschlagten 30 Millionen einbrachte, müsste einerseits noch übrig sein; andererseits erscheint die Personaldecke tatsächlich etwas dünn, was auch das erste Saisonspiel in Wolfsburg belegte.

Bemerkenswerte erste Halbzeit
Natürlich: es ist keine Schande, beim deutschen Meister zu verlieren, zumal es dafür nachvollziehbare Gründe gab. Eine im Vergleich zum Vorjahr fast unveränderte Mannschaft schickte der neue Wolfsburger Trainer Armin Veh aufs Feld, die dort weitermachte, wo sie in der Vorsaison aufgehört hatte, und den 16. Heimsieg in Serie feierte. Es müsste eine Menge schieflaufen, sollte der VfL mit dieser Mannschaft und ihren herausragenden Offensivspielern nicht wieder weit vorne landen.
Niemand konnte dagegen erwarten, dass der VfB gleich aus einem Guss spielen würde. Erst ein paar Tage vorher waren Hleb und Pogrebnjak ins Training eingestiegen. Bemerkenswert war vor diesem Hintergrund immerhin die starke erste Hälfte und der Auftritt des neuen Stürmers aus Russland. Pogrebnjak fügte sich gleich gut ein und deutete mehrmals an, dass er genau der Stürmer sein könnte, den der VfB gesucht hat. Länger wird es dauern, bis Alexander Hleb die ihm zugedachte Rolle ausfüllen kann. Seine Klasse reicht zwar locker aus, um auch in untrainiertem Zustand ein paar schmucke Tricks zu zeigen. Sein Spiel aber lebt von der Dynamik und der Spritzigkeit - und so ahnt der Weißrusse, dass es "bestimmt noch ein paar Wochen dauert, bis ich in Form komme".

Reicht die Qualität des Kaders für die Königsklasse?

Schon am Dienstag in einer Woche aber geht es im Hinspiel in Temeswar um den Einzug in die Champions League - für den Verein ein Duell, dessen Bedeutung kaum höher sein könnte. Der VfB will dieses Jahr in die Königsklasse und am besten auch im nächsten. Dass die Qualität des Kaders dafür ausreicht, daran zweifelt jedoch nicht nur Lehmann. In Wolfsburg verpuffte die Hereinnahme von Jan Simak und Ciprian Marica völlig wirkungslos, was zeigte: die Offensive ist es, in der die Klasse fehlt. Gewaltig ist hier der Unterschied zu Wolfsburg, einem Team, dem der VfB eigentlich auf Augenhöhe begegnen will.

An Simak zeigt Hannover 96 Interesse, diese Woche wollen die Niedersachsen in Stuttgart vorsprechen. Dankbarer wäre der VfB aber für einen Abnehmer Maricas. Doch auch wenn sich keiner findet, wird der Manager Horst Heldt kaum umhinkommen, trotzdem nachzubessern. Marica scheint schlicht zu schwach und vermittelt zudem nicht den Eindruck, bedingungslos um seine Chance zu kämpfen.

25 Millionen für neue Spieler

Der junge Julian Schieber wird noch eine Weile brauchen. Und Cacau ist zwar ein guter und fleißiger Bundesligastürmer - auf internationaler Ebene jedoch in der Vergangenheit immer wieder an seine Grenzen gestoßen. Nach wie vor gilt daher Milan Jovanovic von Standard Lüttich als Kandidat, ein Spieler, der sowohl im offensiven Mittelfeld als auch im Sturm einsetzbar wäre.Immerhin: ein Erfolg an der Transferfront steht kurz bevor. Aus der Türkei verlautet, dass sich Besiktas Istanbul mit Yildiray Bastürk einig sei. Angeblich sind die Türken dazu bereit, eine Ablöse in Höhe von zwei Millionen Euro zu bezahlen. In diesem Falle, so sähe es zumindest Jens Lehmann, hätte der VfB also sogar 25 Millionen für neue Spieler übrig.
Quelle: Stuttgarter Zeitung

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