Der Blick geht ins Leere. 77 Minuten sind absolviert, als Markus Babbel einem Häufchen Elend gleicht. Der Teamchef erweckt den Eindruck, als könne er nicht fassen, was da auf dem Platz passiert. Teilnahmslos sitzt er auf seiner Bank. Damit passt er sich dem Bild an, das seine Profis hinterlassen. Am Ende steht eine 0:4-Pleite. Nach dem Abpfiff in Leverkusen verschwindet Babbel sofort in der Kabine – weil er spürt, dass das auch der Abpfiff für ihn beim VfB Stuttgart war?
Am Montag soll die Entlassung des Teamchefs verkündet werden. Das war das Signal am Sonntagabend – und dafür hat Horst Heldt schon in der Halbzeitpause das Feld bestellt. In einer Wutrede rechnete der Manager ab – direkt mit der Mannschaft, aber indirekt auch mit Babbel, der für den Zustand des Teams verantwortlich ist. Unfassbar sei das, was der VfB biete, sagte Heldt – und fuhr fort: Er sprach von einer "Vollkatastrophe" und davon, dass die Spieler nichts begriffen hätten. "Alle elf soll er auswechseln", sagte der Manager. Das Zeichen war klar: das Maß ist voll.
Seit Wochen ist der VfB hin- und hergerissen, weil es im Club zwei Fraktionen gibt. Die eine Seite befürchtet, dass es unter Babbel immer schlimmer wird und dass die Mannschaft völlig aus dem Ruder läuft. Diese Position wurde in Leverkusen mehr als bestätigt. Die andere Hälfte der Vereinsführung wollte in der Trainerfrage trotz aller Bedenken nicht vor der Winterpause handeln – allerdings mit der Einschränkung, dass es bis dahin keinen sportlichen Offenbarungseid gibt. Den hat sich die Mannschaft aber in Leverkusen geleistet.
Schon am vergangenen Dienstag war intern klar besprochen worden, dass Babbel seinen Posten räumen muss, wenn der VfB in der Champions League bei den Glasgow Rangers verliert. Die Elf gewann dann zwar mit 2:0, doch in der Liga droht nun eine Horrorvision Wirklichkeit zu werden. Tabellenplatz 17 ist erreicht, was im Mai den direkten Abstieg in die zweite Liga bedeuten würde. In dieser bedrohlichen Situation sei sich der Vorstand seiner Verantwortung gegenüber dem Club bewusst, hieß es bereits vor der Partie bei den Rangers.
Allerdings hat den VfB das Debakel in Leverkusen unvorbereitet getroffen. Es existierte kein Plan wie in Glasgow, wonach ein bestimmtes Ergebnis automatisch die Trennung von Babbel nach sich zieht. Deshalb wird der VfB heute abschließend beraten, was zu tun ist. Dabei dürfte es jedoch kaum noch Argumente für ein Festhalten an Babbel geben. Nichts mehr spricht für ihn – auch wenn sich der Teamchef gestern Abend noch kämpferisch zeigte. Es könne doch nicht sein, dass jedes Jahr ein neuer Kopf hermüsse, "der die Jungs zum Laufen bringt", sagte Babbel, "ich hoffe, dass ich weitermachen darf".
Aber solche Sätze sagt er seit Wochen. Geholfen hat es nichts. Deshalb sondierte Heldt nicht erst seit gestern den Trainermarkt – und er ist fündig geworden. Die Entscheidung fällt zwischen zwei Kandidaten – wobei es nach StZ-Informationen einen Favoriten gibt: Christian Gross, dem am ehesten zugetraut wird, die Mannschaft auf Kurs zu bekommen. Der Schweizer betreute zuletzt zehn Jahre lang den FC Basel und gilt als autoritärer Trainer. Einen solchen suchte der VfB, weil die Disziplinlosigkeiten im Kader unübersehbar sind. Auch das hat dazu beigetragen, dass Babbel jetzt keinen Rückhalt mehr in der Vereinsführung besitzt.
Quelle: stuttgarter-zeitung.de
Montag, 30. November 2009
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