Stuttgart - Stellen Sie sich vor, Ihr Chef sagt drei Tage nach Ihrem dreiwöchigen Jahresurlaub zu Ihnen: "Junge, mach mal zwei Tage frei, damit du den Kopf wieder frei bekommst." Wenn so etwas passiert, muss ganz schön viel schiefgelaufen sein.
Eine ähnliche Situation hat zuletzt Thomas Hitzlsperger erlebt. Erst flog er am zweiten Spieltag aus der Mannschaft. Es sei besser, wenn er trainiert, begründete Teamchef Markus Babbel damals den Sonderurlaub. Und jetzt schickte er ihn am sechsten Spieltag vor der Partie gegen Köln (0:2) wieder zur Erholung.
Wie tief muss Hitzlsperger in der Krise stecken, dass solche Maßnahmen nötig sind? Gerade jetzt, wo Führungsspieler auch im Training die Richtung vorgeben müssen. Die Antwort kann sich jeder selbst geben. Der 27-jährige VfB-Kapitän macht derzeit die größte Krise seiner Karriere durch. Alles wackelt, alles wird unsicher, alles steht infrage. Seine Perspektiven in der Nationalelf, seine Leistung beim VfB und seine Position als Platzhirsch der Roten.
Sein Spiel hat keine Dynamik - und seine Körpersprache deutet an: Ich kann euch nicht helfen. Die Folge: Er wird von Teilen der Mannschaft nicht mehr als Chef akzeptiert. Spieler berichten, dass Hitzlsperger auf dem Platz immer öfter widersprochen wird. Ein Teufelskreis. Denn durch solche Streitereien sinkt seine Autorität weiter.
Unabhängig von Hitzlsperger erklärt Karlheinz Förster, Kapitän der VfB-Meistermannschaft 1984, wie er die Rolle des Spielführers interpretiert hat: "Ich war sehr engagiert - in meiner Spielweise, aber auch mit Worten." Der eisenharte Verteidiger grätschte nicht nur Stürmer ab, sondern auch Mitspieler: "Als Kapitän musst du die Mannschaft anfeuern und mitreißen.
Wenn nötig, muss man aber auch mal laut werden." Nichts anderes erzählt Guido Buchwald, ebenfalls lange Jahre VfB-Kapitän: "Du musst absoluter Führungsspieler, der verlängerte Arm des Trainers und in der Mannschaft absolut akzeptiert sein."
All das ist Hitzlsperger eben nicht mehr. Ihm scheint zum Verhängnis zu werden, dass er sich zu viel aufgebürdet hat. Beim VfB heißt es: "Er macht sich zu viel Druck und will allem gerecht werden."
Sich selbst, der Kapitänsrolle und seinen Mitspielern. Selten habe es einen Führungsspieler gegeben, der sich so intensiv um die Integration der Neuen gekümmert habe. Dank und Hilfe darf er im Gegenzug aber nicht erwarten. Das sind die Regeln des Profi-Fußballs. Trotz des Teamgedankens, der auch in der Bundesliga notwendig ist - es gilt Darwins Gesetz: Nur der Fitteste setzt sich durch.
Was im Fall von Thomas Hitzlsperger bedeutet, dass sich der Nationalspieler nach seiner zweitägigen Auszeit am besten im Pokal-Spiel am Mittwoch, 23.9., (20.30 Uhr/Sky) gegen den VfB Lübeck bestens erholt zeigen sollte. Und in Zukunft ein bisschen mehr an sich denken darf. Zur Not kann er auch mal die Grätsche gegen Mitspieler auspacken. Wie damals Karlheinz Förster.
Quelle: stuttgarter-nachrichten.de
Montag, 21. September 2009
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