Freitag, 15. Oktober 2010

VfB Stuttgart: Die zehn dicksten Fehler der Bosse

Fehler passieren, aber sie sollten sich nicht wiederholen. Das sehen auch die Chefs beim VfB Stuttgart so. Doch das Korrektur-Programm funktioniert meistens zu spät, manchmal gar nicht. Deshalb droht nach jedem sportlichen Höhenflug ein Absturz. Was läuft da schief?

1. Bauch statt Kopf
VfB-Präsident Erwin Staudt profiliert sich gern mit launigen Reden und kühnen Visionen, die seine Zuhörer begeistern. Das hat viel mit großen Gefühlen zu tun, hilft in der Tagesarbeit aber nicht weiter.  Der Präsident muss ja nicht gleich ein Schweigegelübde ablegen, überzeugende Führungsarbeit im hoch sensiblen Umfeld des Leistungssports verlangt aber besonnenes Reden und rationales Handeln, das nur eines zum Ziel hat: den Erfolg.

2. Das Defizit im Club-Vorstand
Der Vorstand des mittelständischen Unternehmens mit einem Jahresumsatz von rund 100 Millionen Euro besteht aus zwei Personen: Finanzdirektor Ulrich Ruf (54) und Präsident Erwin Staudt (62). Meistens kommen noch die Manager Jochen Schneider (40) und Fredi Bobic (38) hinzu. Manchmal Pressechef Oliver Schraft (43).
Außer Ulrich Ruf, dem VfB-Urgestein, ist aber keiner erfahren. Er neigt dazu, sportliche Fragen zu allererst aus finanzieller Sicht zu bewerten. Jochen Schneider wühlt sich mit Vorliebe durch Verträge und Lizenzen. Erwin Staudt hat den Fußball Zeit seines Lebens aus der Sicht des Fans betrachtet: Haupttribüne mit der Lizenz zum Jubeln und Meckern. Dabei ist es im Grunde geblieben. Immerhin hat er noch keinen Spieler um ein Autogramm gebeten. Brauchbare Analysen über die Entwicklungsfähigkeit eigener Nachwuchskräfte und über den sportlichen Sinn eines möglichen Transfers kommen dabei zu kurz. Chancen und Risiken sportlicher Entwicklungen werden nicht ausreichend intensiv diskutiert.

3. Laien im Aufsichtsrat
Schön, dass dort so viele prominente Namen vertreten sind. Von Arbeitgeber-Präsident Hundt bis Porsche-Marketing-Chef Gerd E. Mäuser. Aber welcher dieser Herren über Zahlen und Bilanzen hat wirklich einen Schimmer, wie das komplexe Geschäft im Profi-Fußball funktioniert? Dem Ex-Manager Horst Heldt rieten sie einst, nach einem Innenverteidiger auf der Ostalb zu suchen. "Dort sind sie billiger." Jetzt ist immerhin Hauptsponsor Eduardo Garcia im Boot. Er bringt die Erfahrung mit, wie man es nicht machen soll - von den Stuttgarter Kickers.

4. Die Konzeptlosigkeit
Der Verein ist stolz auf seine tolle Jugendarbeit. Zu recht. Aber was die eigene Jugend (Kuranyi, Gomez, Beck, Khedira, Rudy) in die Kasse spült, wird mit zweifelhaften Neueinkäufen (Bastürk, Boka, Marica, Boulahrouz) verpulvert. Der VfB investiert jährlich rund zwei Millionen Euro in die Kaderschmiede.

5. Das halbherzige Scouting-System
Erwin Hadewicz und Christophe Rempp liefern immer wieder ganz brauchbare Personalvorschläge. Umgesetzt werden sie eher selten. Stattdessen gehen die Trainer der Reihe nach mit dem Geld des Vereins shoppen. Der fußkranke Yildiray Bastürk war das VfB-Geschenk an Armin Veh für die Meisterschaft 2007. Allen Warnungen des damaligen Chefscouts Herbert Briem zum Trotz. Dreijahresvertrag, Jahresgehalt drei Millionen Euro. Der VfB hat's ja!

6. Die Pseudo-Philosophie
Erwin Staudt betont bei jeder Gelegenheit mit feuriger Stimme, dass der VfB wie kein anderer Verein auf die eigene Jugend baut. Das ist eine schöne Geschichte, sie stimmt aber leider nur zum Teil: Sebastian Rudy (21) wurde für 3,5 Millionen Euro nach Hoffenheim verkauft und durch Mauro Camoranesi (1,5 Millionen Euro) ersetzt. Der ist 34 Jahre alt und - wenn er so weitermacht - eine nette Verstärkung für die VfB-Traditionsmannschaft.

7. Die Ignoranz
Der VfB ist nicht der FC Barcelona, weshalb ihm die Stars nicht zulaufen. Umso wichtiger ist es, dass möglichst viele Transfers auch sitzen. Welche Informationen sammelt der VfB eigentlich über Spieler, die er kauft? Die Verletzungsfälligkeit von Johan Audel ist in der Branche ein offenes Geheimnis, die Kranken- und Verletzungsgeschichte von Philipp Degen reicht für ein halbes Medizinstudium.

8. Die innere Führung
Man muss seinen Mitarbeitern eben was zutrauen: Beim VfB darf eine Assistentin auf der Geschäftstelle darüber entscheiden, ob Manager Horst Heldt fällige Reisekosten ausgezahlt werden oder nicht. Heldt fühlte sich düpiert - zurecht. Der frühere Reise-Organisator Ralph Herkommer sitzt während der Spiele als Teammanager mit barocker Figur in Sportklamotten auf der Bank. Keiner weiß so richtig, warum. Mit klarer Aufgabenverteilung und geordneten Hierarchien hat das wenig zu tun. Da macht der VfB keine gute Figur.

9. Staub statt Frischluft
Die Lust auf Erneuerung wird von Erwin Staudt zwar immer wieder betont, tatsächlich passiert aber eher wenig. Bei den alljährlichen Klausuren wird zwar viel diskutiert, manches beschlossen, aber es fehlt bei der Umsetzung an Nachhaltigkeit, weil sich niemand mehr dafür zuständig fühlt. Aus sportwissenschaftlicher Sicht gilt der VfB unter Experten bereits als rückständig.

10. Das Umfeld
Besserwisser und Dummschwätzer gibt es im Umfeld eines jeden Vereins. Aber muss es sich der VfB Stuttgart gefallen lassen, dass er bei jeder Gelegenheit von Ex-VfB-Profi Buffy Ettmayer der Lächerlichkeit preisgegeben wird? Zuletzt bei "Sport im Dritten". Dass Ex-Vorstandsmitglied Achim Egner zwar nichts mehr mit dem VfB zu tun hat, gern aber das Versagen der Vorstandschaft geißelt? Avanti dilettanti!

Quelle: stuttgarter-nachrichten.de

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