Montag, 14. Dezember 2009

Video: Jens Lehmann dreht durch


Rote Karte, Handgreiflichkeiten gegen Fans, Flucht aus dem Stadion - Jens Lehmann hat nach dem Spiel in Mainz die Kontrolle verloren. Die VfB-Verantwortlichen hatten alle Mühe, den erneuten Fauxpas Lehmanns herunterspielen. Nun steht dessen Karriere-Ende im Raum.

Zum Glück haben Fußballer in der Regel keine Waffen. Sonst hätte direkt nach Spielende in den Katakomben der Mainzer "coface-Arena" Schlimmes passieren können. Denn was sich der zuvor wegen einer Tätlichkeit gegen den Mainzer Aristide Bancé zu Recht vom Platz gestellte Jens Lehmann bei seinem Abgang aus dem Stadion erlaubte, grenzte an unkontrollierbarem Wahnsinn.

Wie entfesselt stürmte Lehmann aus der Stuttgarter Kabine, entschied sich in blinder Wut für den Fanausgang und verlor, verfolgt von zahlreichen Kamerateams, für jeden ersichtlich die Kontrolle. Erst wurde er handgreiflich, schnappte sich die Brille eines Fans, dann suchte er wild gestikulierend und unter Mithilfe der anwesenden Polizeikräfte nach einem Taxi, um letztlich doch noch im Mannschaftsbus zu landen. In diesem Augenblick war Lehmann ein Mensch, der nicht mehr wusste, was er tat.

Heldt in Erklärungsnot

Es war ein historischer Auftritt in der Bundesliga-Geschichte und der Höhepunkt der letzten Wochen eines Mannes, der ganz offensichtlich den Boden unter den Füßen verloren hat. VfB-Sportvorstand Horst Heldt hatte nach dem Lehmann'schen Fauxpas alle Mühe, die Wogen zu glätten. Was ihm nur annähernd gelang. Heldt sprach von einer "Kurzschlussreaktion" und davon, dass "so etwas einem Spieler natürlich nicht passieren dürfe". Er tat alles, um den Ausraster Lehmanns einigermaßen den Zündstoff zu nehmen.

Es war abzusehen, dass der über 90 Minuten von den Mainzer Fans und Spielern provozierte und beleidigte Lehmann nach seiner berechtigten roten Karte die Nerven verlieren wird. Zu viel war in den vergangenen Tagen nach dem Rauswurf von Lehmanns Freund Markus Babbel passiert. Eine Abmahnung und kolportierte 40.000 Euro Geldstrafe wurden Lehmann nach seiner Kritik an der Vereinsspitze vom VfB-Vorstand aufgebrummt. Sanktionen, die Lehmann kalt lassen, er weigert sich zu zahlen.

Null Motivation

Und jetzt die Vorfälle von Mainz. Der neue VfB-Trainer Christian Gross wirkte anschließend verwirrt ob des Verhalten Lehmanns. "Ein kontroverser Charakter" sei der Torwart, erklärte der Schweizer, der jetzt "mit ihm sprechen" wolle. Zu spät, könnte man meinen. Lehmann wird vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) für einige Wochen gesperrt werden, und es ist mehr denn je fraglich, ob der 40-Jährige sich eine Rückkehr ins Tor noch einmal antun wird. Zum einen hatte er schon nach dem Champions-League-Sieg gegen Unirea Uziceni erklärt, sich für den Abstiegskampf nicht mehr motivieren zu können. Eine an sich ungeheuerliche Aussage für einen Profifußballer, der Millionen einstreicht.

Zum anderen werden sich die Verantwortlichen des VfB ganz genau überlegen müssen, ob bei Lehmann die Verhältnisse noch stimmen. Die Zahl seiner Stuttgarter Fehltritte sind beinahe ungezählt, kaum ein Monat verging in den letzten anderthalb Jahren, in dem Lehmann nicht verhaltensauffällig wurde. Auch in der eigenen Mannschaft ist Lehmann schon lange nicht mehr bei allen Kollegen unumstritten, nach dem Mainz-Eklat wollte keiner der Stuttgarter Spieler einen Kommentar abgeben.

Großes Ego als Problem

Man muss sich tatsächlich die Frage stellen, was in den Menschen Jens Lehmann gefahren ist. Der Mainzer Torwartkollege Heinz Müller sprach davon, dass sich "Lehmann zu sehr unter Druck setze". Damit hat er zweifelsohne recht. Allerdings gibt es da auch die Hubschrauberflüge an den Starnberger See, Trips zum Oktoberfest, weggeworfene Schuhe und viele andere Episoden im Sportlerleben des streitbaren Egozentrikers. Diese Egoismen haben mit Ehrgeiz nichts zu tun, sie sind Ausdruck eines ausgeprägten individuellen Geltungsbedürfnisses, das in einem Mannschaftssport wie Fußball nur selten produktiv sein kann.

Wie geht es jetzt mit Lehmann weiter? Der VfB-Vorstand wird schnell eine Lösung finden müssen, das betonte auch Trainer Gross, der mit diesen schwäbischen Verhältnissen nicht gerechnet haben dürfte. Man wird Lehmann schützen müssen, ein Anspruch, dem die VfB-Betreuer im Mainzer Tumult nicht gerecht wurden. Ein renommierter ZDF-Reporter sprach in Mainz gar von einem "menschenunwürdigen" Verhalten der VfB-Führung, Lehmann alleine im Regen stehen zu lassen. Etwas überzogen, aber in der Sache richtig.

Lehmanns Image liegt nach dem 1:1 in Mainz endgültig am Boden. Und Zeit für Image-Korrekturen hat Lehmann nicht mehr. Der einstige Nationaltorwart steht nun am Ende seines sportlichen Weges. Übrigens: Lehmann ließ sich am Ende dann doch mit dem Taxi chauffieren. Zum Flughafen Frankfurt. Und von dort mit dem Flieger heim nach München. Angeblich wussten die VfB-Bosse Bescheid.

Quelle: http://www.stern.de/

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