Dienstag, 8. Dezember 2009

Ein bisschen wie Otto Rehhagel



Bunt ist die Hoffnung. Der Nachfolger des entlassenen Teamchefs Markus Babbel trägt eine Krawatte in drei verschiedenen Farben, als er am Sonntagabend in Stuttgart präsentiert wird. Aber die Töne sind so dezent, dass der erste Eindruck eher dafür spricht, dass da kein schriller Typ verpflichtet worden ist. Erwin Staudt beschreibt ihn als "einen Mann, der für Erfolg steht". Und als "einen Mann, der eine Menge Erfahrung besitzt". Und als "einen Mann, der Talente fördert". Und als "einen Mann, der sich in der Bundesliga beweisen will". Es ist viel, was der VfB-Präsident seinem neuen Trainer mit auf den Weg gibt. Sein Name: Christian Gross.

Er kommt aus der Schweiz, wo er in den vergangenen zehn Jahren den FC Basel betreut und gezeigt hat, dass er die ersten drei von Staudt angeführten Eigenschaften verkörpert. Unabhängig davon wird beim VfB wieder Schweizerdeutsch gesprochen, was zuletzt in der Saison 1995/1996 der Fall gewesen ist. Damals war Rolf Fringer im Amt, der sich mit einem kleinen Witz eingeführt hatte. Auf die Frage, was ihn auf die Palme bringe, antwortete er: "Kokosnüsse". Gross ist bei seinem Einstand dagegen nicht so lustig. Er erzählt, dass er ein leistungsorientiert denkender Mensch ist. "Ich will, dass die Spieler ihrem Trainer etwas zurückzahlen", sagt der 55-Jährige, "wir sind ja in der Adventszeit – und da ist die Gelegenheit dafür günstig." Das meint Gross sehr ernst.

Überhaupt ist mit ihm offenbar nicht zu spaßen. Er macht kein Geheimnis daraus, dass er von seinen Spielern etwas anderes erwartet als das, was sie unter Babbel abgeliefert haben. Um ein Zeichen zu setzen, ordnete er gleich am Sonntagabend eine Übungseinheit an – Beginn 19.30 Uhr. Gross will keine Zeit verlieren. Über das Innenleben der Mannschaft habe er sich informiert, sagt er, "jetzt muss ich mir schnell ein endgültiges Bild machen."

Schon am Mittwoch dürfte er auf diesem Weg einen großen Schritt weiter sein, denn dann empfängt der VfB in der Champions League den rumänischen Club Unirea Urziceni. Bei einem Sieg wäre der Einzug ins Achtelfinale geschafft, was nun zwangsläufig das erste große Ziel von Gross ist. Er wolle mit dem Team auf die Siegesstraße zurück, sagt er, "es ist viel schöner zu gewinnen als zu verlieren". Wie er so dasitzt und über die Tugenden redet, die er von seinen Profis fordert, erinnert er an die Vertreter der etwas älteren Trainergeneration wie Otto Rehhagel oder Karl-Heinz Feldkamp. Insofern ist dies das Kontrastprogramm zu Babbel – was vermutlich auch den Ausschlag für Gross gegeben hat und für den VfB vonnöten ist. Denn in den vergangenen Monaten haben die Disziplinlosigkeiten ständig zugenommen.

Da wird Gross, der einen Vertrag bis 2011 unterschrieben hat, den Hebel ansetzen. Unterstützt wird er von dem früheren VfB-Profi Jens Keller, der bisher für die A-Junioren des Clubs zuständig war. Diese Lösung gilt zumindest bis zur Winterpause. Dann wird überlegt, wie es in der Rückrunde weitergehen soll. Entschieden ist, dass die Babbel-Assistenten Rainer Widmayer und Alexander Zorniger wie ihr Chef weichen müssen. Widmayer könnte jedoch bald bei der zweiten Mannschaft landen, die zuletzt sechs Niederlagen hinnehmen musste; deshalb ist der Trainer Reiner Geyer nicht mehr unumstritten.


Das interessiert Gross momentan jedoch nicht. Seit August steht er mit dem VfB in Kontakt, der sich bei ihm damals nach den Qualitäten seines ehemaligen Basler Spielers Zdravko Kuzmanovic erkundigt hatte, der dann auch auf Empfehlung von Gross in Stuttgart landete. Nach dem 1:1 gegen Bochum sei noch am Samstagabend die Entscheidung über seinen Wechsel gefallen, sagt der Trainer, dem aus der Schweiz der Ruf vorauseilt, im Umgang mit den Spielern autoritär und hart zu sein. Gross selbst charakterisiert sich aber anders. Positiv strukturiert sei er und direkt. "Ich habe kaum negative Gefühle." Dennoch könne er auch explodieren, sagt Gross – und zwar, "wenn wir ein Spiel verlieren, obwohl wir besser gewesen sind".

Weil das dem VfB in dieser Saison oft passiert ist, sah sich Staudt entgegen seiner noch vor einer Woche geäußerten Absicht zum Handeln gezwungen. "Wir haben versucht, etwas zu tun, was bei den wenigsten Bundesligisten üblich ist – auf Kontinuität setzen und die Ruhe bewahren", sagt der Präsident, "aber alles hat seine Grenzen." Da nickt Gross und sagt: "Jetzt geht es darum, zu retten, was noch zu retten ist."

Quelle: stuttgarter-zeitung.de

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen