Freitag, 30. April 2010

Abschied von der Cannstatter Kurve

Scheiden tut weh. Das werden am Samstag auch die treusten Fans des VfB Stuttgart verspüren. Nach dem letzten Heimspiel der Saison gegen Mainz hat die Cannstatter Kurve in der Mercedes-Benz-Arena ausgedient. Die Kurve der Emotionen in vielen Jahrzehnten. Am Montag beginnen die Abbruchvorbereitungen.

Der Abschied wurde in der VfB-Zentrale von langer Hand vorbereitet - als Geheimsache. Der Verein legt sich in die Kurve. Nur so viel wollte man verraten: Die Stadionzeitung wird die Cannstatter Kurve mit einer 32-seitigen Sonderbeilage würdigen, ehe der Standort von so vielen treuen VfB-Fans endgültig Legende wird. Nach dem Spiel dürfen ein paar Tränen verdrückt werden. Zuerst für die Spieler, die den Verein verlassen und in die Kurve kommen, dann auch für die Kurve selbst.

"Das ist schon ein emotionaler Abschied", sagt Ralph Klenk, VfB-Fanbeauftragter, "mit der Kurve verbinden sich Erinnerungen an Niederlagen und Siege in 30, ja 40 Jahren." Etwa an die legendären zweiten Halbzeiten in den Achtzigern, als oft späte Entscheidungen fielen. Oder an die 70er Jahre, als das Neckarstadion drittgrößte Spielstätte der Republik war und die Cannstatter Kurve ein wenig zu dem Massenerlebnis von 70.000 Zuschauern beitragen durfte.

Jetzt also die Zäsur. Der A-Block der Fans muss der Erneuerung der Cannstatter Kurve weichen, die Teil des Stadionumbaus zur reinen Fußballarena ist. Bis zur Fertigstellung der neuen Cannstatter Kurve ist die Untertürkheimer Kurve das Asyl. Die Untertürkheimer Kurve schreitet samt der Sporthalle, die darunter angesiedelt ist, der Fertigstellung entgegen. Das Konzept, wie Gästefans und VfB-Anhänger in ein und derselben Kurve unterkommen und die Sicherheit gewahrt wird, stehe, heißt es beim VfB.

2011 ist der A-Block näher dran

Der A-Block wird 2011 zurückkehren und näher dran sein am Spiel als früher. Aber die Kurve ist dann halt eine andere. In die alte Kurve zu gelangen war nicht einfach. Der heutige Fanbeauftragte weiß aus eigener Erfahrung als Fan, wie man sich intern in den A-Block hochdienen musste. "Wichtig war, immer da zu sein." Manche werden am Samstag also ein Stück Heimat entschwinden sehen, sagt Klenk. Die meisten werden aber das Neue bedenken und begrüßen. "Der Wunsch nach einem reinen Fußballstadion war ja immer da." Die Fans müssten sich in der neuen Arena wiederfinden. Doch da sei alles im grünen Bereich.

Nicht nur, dass es wieder etwas mehr Stehplätze geben wird - von den rund 8000 Plätzen wird es in der neuen Cannstatter Kurve auch einen direkten und unkomplizierten Zugang zur Fankneipe geben, macht Martin Rau, Geschäftsführer der Stadion Neckarpark GmbH, Hoffnung. Ende Juli 2011, zur Saison 2011/2012, soll die Cannstatter Kurve vollendet sein, die gut ein Viertel des Stadion-Umbaubudgets von 60 Millionen Euro verschlingen wird.

Am Montag beginnen erst die Vorbereitungen mit dem Abmontieren der Sitze. Am 17. Mai sollen die richtigen Abbrucharbeiten beginnen, vielleicht klappe es ein paar Tage früher. Spätestens am 25. Juni soll die Kurve weg sein. Möglicherweise könnte man sogar noch einer Gerichtsentscheidung am 22. Juni zuvorkommen. Die wurde anberaumt, weil die Eigentümer des Carl-Benz-Centers, allen voran der Unternehmer Rudi Häussler, 1,75 Millionen Euro Garantieleistungen erkämpfen wollen - für den Fall, dass wegen des Lärms Hotelgäste und Nutzer der Carl-Benz-Halle wegbleiben. "Wir streben aber nicht an, der Gerichtsentscheidung zuvorzukommen", sagt Rau. Ihm reicht es, wenn die Termine eingehalten werden. Rau glaubt auch nicht, dass die Besitzgesellschaft aus der Häussler-Gruppe im benachbarten Carl-Benz-Center den Terminplan noch durcheinanderbringt. "Ich glaube nicht, dass Häussler eine einstweilige Verfügung gegen die Arbeiten beantragen wird", sagt Rau. Sonst will er Häussler auf Schadenersatz verklagen, wenn die Stadion GmbH dem VfB Mitte 2011 keine bespielbare Arena mit ausreichend Zuschauerplätzen vermieten kann. Aber auch schon vorher muss die Arena mindestens 40.000 Zuschauern Platz bieten.

Die Restarbeiten an der Untertürkheimer Kurve bis August 2010 hinzukriegen und von Ende Juli an die Fundamente für die Cannstatter Kurven zu errichten, auf denen ab September die eigentliche Tribüne entsteht, sei eine große Herausforderung, sagt Rau. Die Sporthalle, die für weitere 13,4 Millionen Euro entsteht, soll im April 2011 zu nutzen sein. Schließlich muss auch noch der Business-Bereich in der Arena umgebaut und das Dach durch einen Anbau nach innen erweitert werden. Für weiteren Streit mit Häussler habe man keine Ressourcen, sagt Rau. Aber vermutlich bietet der Umbau ihm auch ohne den Streit viele Emotionen - nur andere Emotionen als die der Fans.

Quelle: stuttgarter-nachrichten.de

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